Wöchentliche Kolumne vom 4.10.2025
Diese Woche hat wieder spürbar an Tempo zugelegt – in allen Rollen: Mein Buch „Börse kannst auch du“ ist beim Verlag zur Endprüfung, an der Fachhochschule hat das neue Semester begonnen und in Gesprächen mit Investmenthäusern ging es um spannende Strategien. Dazu kam eine Keynote über den Dächern Wiens, bei der ich über das achte Weltwunder – den Zinseszins – sprechen durfte.
An der Börse entfaltet er seine Kraft ebenso wie im Leben: Wer operativ liefert und gleichzeitig in sich, sein Team und die Strategiearbeit investiert, erntet langfristig überproportionale Früchte. Kurzfristig scheint das oft nebensächlich – auf Dauer wirkt es wie ein Turbo.
Nachrichtenflut und Weitblick
Auch die Finanzmärkte kennen dieses Muster. Rund 300.000 Finanznachrichten laufen täglich über die Ticker. Eigentlich sollten Portfolios strategisch ausgerichtet sein, doch viele Anleger lassen sich vom Takt der Schlagzeilen treiben. Aus Strategie wird Taktik, aus Weitblick Hektik – und die Erfolgswahrscheinlichkeit sinkt.
Beim morgendlichen Espresso habe ich die neuen Wirtschaftsdaten durchgesehen: Die OECD hebt die globale Wachstumsprognose für 2025 leicht auf 3,2 % an. Optimismus also? Der zweite Blick zeigt: Die US-Wirtschaft kühlt von 2,8 % (2024) auf 1,8 % (2025) ab, auch China verliert etwas Schwung. Stützen kommen von massiven KI-Investitionen in den USA und fiskalischen Impulsen in China – ein Mix, der kurzfristig trägt, langfristig aber Fragen offenlässt.
Boomgeschichten und Warnsignale
Während die Konjunkturdaten gemischt sind, senden die Märkte ihre eigenen Signale. Defensive Branchen wie Gesundheit oder Versorger laufen schwächer – typisch für späte Boomphasen, in denen Anleger lieber die glänzenden Wachstumsstories kaufen. Gleichzeitig sind die Bewertungen hoch, viel Zuversicht ist bereits eingepreist. Vertrauen ist gut, Übermut kann teuer werden.
Von außen kommt Rückenwind: Ausländische Investoren halten so viele US-Aktien wie nie zuvor. Ein Vertrauensvotum für die Stärke des amerikanischen Marktes – aber Kapitalströme können sich schnell drehen. Deshalb bleibt Streuung über Branchen und Regionen entscheidend.
Substanz statt Luftschlösser
Und dann ist da noch der Vergleich zur Internetblase. Damals lebte vieles von Luft und Fantasie. Heute ist es anders: NVIDIA hat seinen Börsenwert vervielfacht, aber im Unterschied zu 2000 mit echter Substanz. Vor fünf Jahren lag der Gewinn noch bei weniger als 5 Milliarden Dollar. Heute überschreitet er bereits die Marke von 100 Milliarden. Weltweit gibt es nur fünf Unternehmen, die so viel pro Jahr erwirtschaften: Saudi Aramco, Alphabet, Apple, Microsoft – und eben Nvidia.
Die Bewertung ist ambitioniert, doch diesmal stehen reale Erträge dahinter. Für Anleger bedeutet das: Wachstumswerte haben ihre Berechtigung, aber ebenso defensive Titel, die Stabilität bringen.
Wer sein Portfolio strategisch aufstellt, mischt beides. Zinseszins lebt von Geduld und Balance – nicht von Schlagzeilen. Weniger Zappelei bedeutet mehr Zinseszins. So wachsen kleine, kluge Entscheidungen über die Zeit zu großen Ergebnissen.
PDF: Logbuch des Börsianers vom 4.10.2025
e-fundresearch: Börsenbarometer
FH JOANNEUM: Wöchentlicher Börsenbrief