Ben, die düstere Prognose und eine gigantische Lücke

Als ich heute Morgen mit meinem Espresso in der Hand aus dem Fenster schaue, erblicke ich einen Helikopter. Unweigerlich muss ich an Ben Bernanke, den ehemaligen Präsidenten der amerikanischen Notenbank denken. Bernanke bekam dieser Tage gemeinsam mit Philip Dybvig und Douglas Diamond den Nobelpreis verliehen. Bernanke erhält die Auszeichnung aufgrund seiner Forschung über die Große Depression in den 1930ern. Im Rahmen seiner Arbeit hat er festgestellt, dass Bankenzusammenbrüche entscheidend dafür waren, dass sich die Rezession zu einer einhaltenden Depression entwickelte.

Bernanke war in der Finanzkrise als Nachfolger des legendären Alan Greenspan Chef der US-Notenbank und läutete damals die Periode des billigen Geldes ein. Er berief sich damals auf den neoliberalen Vorgänger Milton Friedman, der in einem Gedankenexperiment Geld aus einem Helikopter herabregnen ließ. Und schon wurde aus Ben Bernanke der Helikopter-Ben.

Anfang Oktober veröffentlicht der Internationale Währungsfonds (IWF) traditionell seinen volkswirtschaftlichen Ausblick im Rahmen seiner Jahrestagung. IWF-Chefvolkswirt Gourinchas zeichnet ein düsteres Bild für 2023. Im Zuge der hohen Inflation, der geopolitischen Unsicherheiten und der Folgen der Corona-Pandemie könnten mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft in eine Rezession abgleiten.

In den größten Wirtschaftsräumen – also der USA, China und Europa – werde das Wachstum stagnieren. In Bezug auf die Inflation gibt Gourinchas allerdings Entwarnung, da er eine deutliche Abkühlung erwartet. Die Teuerungsrate in den Industrieländern wird aber mit 4,4% im Vergleich zu den letzten Jahren immer noch hoch sein. Der IWF-Volkswirt empfiehlt den Notenbanken, am aktuellen Kurs festzuhalten und mit weiteren Zinserhöhungen die Inflation einzufangen.

Die Inflation ist auch für Unternehmer ein großes Thema. In der September-Umfrage des Beratungsunternehmens McKinsey’s gehen 68% der Befragten davon aus, dass die Inflation in den nächsten 12 Monaten das größte Risiko für die Weltwirtschaft darstelle. Auf die Unternehmen komme dadurch eine massive Kostenbelastung zu. Ob sich alles auf den Konsumenten in Form höhere Preise umwälzen lässt oder es zulasten der Margen geht, wage ich nicht zu prognostizieren.

Die Schweiz steht für Schokolade und seriöse Banken. Dieser Herbsttage gerät eine Schweizer Institution gehörig ins Wanken. Für die Credit Suisse reißen die schlechten Nachrichten einfach nicht ab. Die Investmentbank Goldman Sachs attestiert dem Finanzinstitut eine aufklaffende Kapitallücke von bis zu acht Milliarden Schweizer Franken und rät dem Mitstreiter, frisches Eigenkapital hereinzuholen. Probleme bereitet die Investmentbanking-Sparte, die laut Angaben von Konzernchef Ulrich Körner vor einer großen Restrukturierung – sprich: radikaler Einschnitte – stehen dürfte. Beim aktuellen Aktienkurs dürfte Altaktionäre wahrscheinlich wenig Freude haben, wenn sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung ihre Unternehmensanteile verwässern.

Mit ihren Kapitalproblemen steht die Credit Suisse allerdings keinesfalls allein da. Der aktuelle Stresstest des Internationalen Währungsfonds (IWF) attestiert aufgrund hoher Inflationszahlen und einer drohenden Rezession, dass viele Banken die erforderlichen Eigenkapitalquoten nicht mehr erfüllen können. Besonders stark betroffen sind Banken in Schwellenländern, wo laut Einschätzung des IWF 29% aller Institute vor Kapitalproblemen stehen.

Kommen wir noch zum Immobilienmarkt. Noch vor kurzem galt eine Immobilie mit Meerblick in Florida als absolut erstrebenswert. Aufgrund des Klimawandels hat sich das Blatt aber massiv gewendet. Der Hurrikan „Ian“ hat in Florida eine Verwüstung angerichtet und einen Schaden von bis zu 40 Milliarden Dollar verursacht. Durch die Klimakrise steigt das Risiko von Extremwetterereignissen. Das führt dazu, dass heuer bereits 400.000 Versicherungen gekündigt oder die Raten massiv erhöht wurden. Betroffene Hausbesitzer haben kaum Alternativen.

Darüber hinaus zieren sich Banken, Immobilienprojekte in der Küstenregion zu finanzieren. All das führt dazu, dass Immobilien am Meer deutlich an Wert verlieren. Und das in einem inflationären Umfeld. Droht eine weitere Immobilienkrise? Sicherheitshalber könnte sich Fed-Chef Jerome Powell einmal bei seinem Vorgänger Ben Bernanke erkundigen, ob er schon einmal den Helikopter starten soll!

von | Okt 16, 2022

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